„Die Berge treten näher, die Vorhügel, bis weit in die Ebene herab, stellen sich wie ein einziger unermesslicher Weinberg dar; auf einigen Höhen thronen Trümmer stolzer Burgen, und darüber ragen die waldbedeckten Berghäupter empor.“ Mit der Sprache der Spätromantik beschreibt Georg Friedrich Blaul eindrucksvoll, wie er sich der Stadt Neustadt an der Weinstraße nähert. Das Zitat stammt aus seinem 1838 erschienenen Buch „Träume und Schäume vom Rhein“. Der Autor, dessen Band mit wortgewaltigen Reisebildern als eines der ersten bedeutenden Werke über die Pfalz und ihre Bewohner gilt, durchwanderte seine Heimat als sinnlicher Beobachter. Nachempfinden kann man seine Gefühle auch heute noch ganz leicht. Zum Beispiel beim Sonnenaufgang auf der Panoramaterrasse des Hambachers Schlosses. Er taucht die von Blaul beschriebene Landschaft in weiches, goldenes Licht. Gleichzeitig liegt einem Neustadt zu Füßen und – rund 20 Kilometer südlich – lässt sich Landau in der Pfalz erahnen. Sucht man auch hier nach wortgewaltigen Sinnbildern, dann sind die beiden Städte so etwas wie die Juwelen in der 85 Kilometer langen Perlenkette „Deutsche Weinstraße“.
Die "Wiege der Demokratie"
Frühes Aufstehen lohnt sich hier absolut, weil es viel zu entdecken und erleben gibt. Wer es richtig machen will, nimmt sich am besten gleich ein paar Tage Zeit. So lockt das Hambacher Schloss nicht nur wegen seiner exponierten Lage. Die Dauerausstellung in der „Wiege der Demokratie“ erinnert an das Hambacher Fest im Jahr 1832. Gleichzeitig steht sie mit den Farben Schwarz, Rot und Gold für Werte, die heute von Bedeutung sind. In der Ausstellung wird so die Brücke aus der Geschichte in die Gegenwart geschlagen. Der Marsch „hinauf, hinauf zum Schloss“ gilt als Höhepunkt bürgerlicher Opposition in Zeiten der Restauration und am Anfang des Vormärz. Der Ruf der Festteilnehmer nach Einheit, Freiheit und Volkssouveränität reifte im Widerstand gegen die restaurativen Bemühungen des Deutschen Bundes.
Das Zentrum des Weins
Der „unermessliche Weinberg“ von dem Blaul schrieb, prägt bis heute die Stadt Neustadt und ihre neun Weindörfer. Ebenso Landau und seine acht Ortsteile, die jeweils mitten in der Reblandschaft gelegen die Zentren umgeben. Die beiden Weinstraßen-Städte liegen Kopf an Kopf beim Rennen um den inoffiziellen Titel der „größten weinanbautreibenden Gemeinde“ in Deutschland. Mit 2053 Hektar hat momentan Landau die Nase vorn. Neustadt folgt mit 2023 Hektar knapp dahinter. Als Wein- und Demokratiestadt, die sich „Herz der Weinstraße“ nennt, ist Neustadt jedoch seit 1931 Krönungsort der Pfälzischen und seit 1949 – bis auf wenige Ausnahmen – der Deutschen Weinkönigin. Ihre persönliche Weinreise können Besucher direkt unterhalb des Hambacher Schlosses beginnen. In Hambach lassen sich in der historischen Schlossgasse, durch die einst Revolutionäre zogen, heute gute Tropfen verkosten.
Die Kirche mit zwei Türmen
Sensorische Erlebnisse sind zudem in Weinbars, Vinotheken oder einer der zahlreichen Weinstuben in der historischen Altstadt Neustadts möglich. Auch am Marktplatz lässt sich ein Gläschen Wein oder ein Kaffee genießen, bevor man sich zum Beispiel in einer Führung daran macht, über 184 Stufen den Südturm der Stiftskirche zu erklimmen. Sie hat nicht nur zwei Türme, sondern ist zudem als sogenannte Simultankirche ein geteiltes Gotteshaus für evangelische und katholische Christen. Vom Balkon der Türmerwohnung hat man schließlich einen grandiosen Rundblick über die Stadt mit ihrem Flickenteppich aus Fachwerkhäusern, Gründerzeitvillen und Nachkriegsbauten. Beim Abstieg lassen sich insgesamt fünf Glocken bewundern. Der benachbarte Nordturm beherbergt neben der sogenannten Kurfürstenglocke auch die Kaiserglocke. Sie gilt als größte Gussstahlglocke der Welt.
Die Stiftskirche als Wahrzeichen
Mitten im Landauer Zentrum erhebt sich der Turm einer weiteren Stiftskirche. Das evangelische Gotteshaus ist eines der Wahrzeichen der Stadt, die 2024 ihren 750. Geburtstag feiert. Auch hier oben hat früher ein Türmer gelebt, dessen alltäglicher Rundblick über das Häusermeer, die Weinlandschaft und den Haardtrand mit den Bergen des Pfälzerwaldes man bei einer Führung einfach nachvollziehen kann. Der markante Turm, er wurde im 15. Jahrhundert vollendet, hat viel Geschichte und viele Geschichten erlebt. Nach dem 30jährigen Krieg begann die französische Herrschaft. Landau wurde zur französischen Festung, während Sonnenkönig Ludwig XIV. die Dörfer im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688 – 1697) niederbrennen ließ. Doch trotzdem wurde auch das alte, ziemlich verwinkelte Landau 1689 durch einen Brand zerstört. Rund zwei Drittel der Stadt wurden ein Raub der Flammen. In der Folge entstand das neue Stadtbild.
Der Wandel der Zeiten
Mit der bayerischen Herrschaft ab 1816 wurde Landau von den Franzosen zur Festung gegen Frankreich. Nach dem deutsch-französischen Krieg ist Landau ab 1871 endlich eine offene Stadt. Die Festung wird geschliffen und es entstehen prächtige Bürgerhäuser im Stil des Klassizismus, der Gründerzeit und des Jugendstil, die bis heute das Stadtbild prägen. Daneben gehören ausgedehnte Grünzüge zum Stadtbild. So der Schillerpark, der sich längs der Straße „An 44“ zieht. Hier reihen sich beeindruckende eineinhalb- bis dreigeschossige Villen und Wohnhäuser mit original schmiedeeisernen Einfriedungen der Vorgärten aneinander. Im Park und in der Denkmalzone mit den typischen Bürgerhäusern lohnt sich ein Spaziergang. Wer diesen in Richtung Zentrum fortsetzt, stößt auf ganz unterschiedliche historische Spuren. So grüßt etwa der bayerische Prinzregent Luitpold hoch zu Pferde auf dem Platz vor dem Rathaus, der ehemaligen Festungskommandantur. So erinnern verlockende Petit Fours, Macarons oder Croissants in Patisserien oder Cafés an Frankreich. Und wo Genuss groß geschrieben wird, ist auch der Wein nicht weit. Mit einem Glas auf der Terrasse einer Vinothek und dem Blick auf die Sonne, die hinter dem Pfälzerwald verschwindet, lässt sich schon der nächste Tag planen. Damit zurück zu Georg Friedrich Blaul, denn einmal mehr sind seine Worte von 1838 heute noch treffend: „Ich habe da eine Unzahl lieblicher Bilder in mich aufgenommen, die mein Gedächtnis als Schatz für künftige Tage bewahren wird.“