Pfälzer Geselligkeit auf Schritt und Tritt
Ein Tag im goldenen Oktober: Im Gänsemarsch geht es bei der sogenannten „Keschdewanderung“ den Aufstieg zu den Geiersteinen bei Lug (Landkreis Südwestpfalz) hinauf. Roland Herrmann, ein 1952 geborener eingefleischter Südpfälzer, hat zuvor die Teilnehmer begrüßt und erläutert, wie die gemeinsame Tour abläuft. Der offizielle Weg – „unverlaufbar“ gut markiert – ist mit fünfeinhalb Kilometern eine eher kürzere Premiumtour, die jedoch nicht nur in der Keschdezeit im Herbst ganz besonders reizvoll ist.
Geiersteine-Tour: Nicht nur mit Keschde ein Genuss
Die Schönheit des Pfälzerwaldes, gewaltige Buntsandsteinfelsen und eindrucksvolle Ausblicke sorgen das ganze Jahr über für viel Abwechslung. Mit Roland Herrmann, der regelmäßig Gruppen führt, braucht man etwas länger als die angegebenen zwei Stunden. Zum einen kennt er die Region wie seine Westentasche und weicht deshalb auch mal auf nicht markierte Pfade aus. Zum anderen erzählt er bei verschiedenen Stopps Interessantes zur Region und den hier lebenden Menschen. „Ein Wandermagazin hat den Wasgau einmal als stille Schönheit bezeichnet. Dies stimmt aber nur bei der Natur, nicht beim Pfälzer.“ Während Wanderführer Roland Herrmann mit einem verschmitzten Schmunzeln auf die alles andere als ruhige Pfälzer Gemütlich- und Geselligkeit anspielt, lässt er bei der Rast am Felsen „Runder Hut“ das Schoppenglas mit einer frisch eingeschenkten Weinschorle kreisen.
Dazu reicht er den Frauen und Männern in seiner 13-köpfigen Wandergruppe frisches, mit Butter bestrichenes Keschdebrot. In der Pfalz werden Esskastanien Keschde genannt. Und bei der Tour werden sie noch gesammelt. Allerdings erst ganz am Schluss, damit man die Früchte des Waldes nicht zu lange tragen muss.
„Die Felsen bei uns sind im Nachhinein ein Geschenk“, betont der Wanderführer an den Geiersteinen, einer bizarren Felsformation auf 375 Metern Höhe. Felsen dieser Art prägen den Charakter des Wasgaus. Er zeigt auf Haken im Felsen, die die Routen von Kletterern markieren. Die Buntsandsteinplatte ist rund 250 Millionen Jahre alt. Steinformationen gibt es als Riffe, Türme oder Pilze.
Die Felsen bei uns sind im Nachhinein ein Geschenk
Die zum Teil außergewöhnlichen Formen entstehen über die Jahrtausende durch Verwitterungsprozesse. Früher dienten die Felsen häufig als Fundament für Burgen. Aus Buntsandstein sind zudem viele typische Fassaden der Häuser in der Region. Rötlich oder gelblich schimmern die Felsen durch unterschiedliche Beimengungen zum Quarzsand. So entsteht beispielsweise die rötliche Färbung durch das Eisenoxyd Hämatit.
„Normalerweise wandern wir immer allein, weil wir uns dann nach unserem Rhythmus bewegen können“, erzählt unterwegs eine Teilnehmerin aus dem Allgäu. Mit ihrem Mann hat sie sich diesmal einer Gruppe angeschlossen, um mehr über die Pfalz zu erfahren.
„Man lernt immer wieder nette Menschen kennen und ist in angenehmer Gesellschaft unterwegs“, nennt ein Mann aus dem Rheinland den Grund, warum er die Gruppentour gebucht hat. Zusammen mit seiner Frau setze er im Urlaub immer auf eine Mischung aus eigenständigen und geführten Unternehmungen. Regelmäßig bei geführten Touren mit von der Partie ist ein Ehepaar aus dem Kuseler Land, das immer wieder auch in anderen Regionen der Pfalz unterwegs ist.
Mittlerweile ist die Wandergruppe über einen schmalen Pfad auf dem rund 45 Meter hohen Buntsandstein-Massiv angekommen. Von den Millionen Jahre alten Felsplatten aus eröffnet sich ein grandioser Ausblick.
Neben ausgedehnten Waldflächen steht dabei die Bergkette bei Annweiler mit der Reichsfeste Trifels und den Ruinen Anebos und Münz im Mittelpunkt. Und Roland Herrmann lässt hier auch die Zeit wiederaufleben, in der Südwestpfalz – zum Beispiel in Hauenstein – die Schuhproduktion ihre Hochzeit hatte. Die Arbeiterinnen und Arbeiter mussten seinerzeit kilometerlange Märsche zu ihren Arbeitsplätzen auf sich nehmen. Zurück zum Felsen „Runder Hut“: Bevor es weitergeht, zaubert Roland Herrmann noch eine Überraschung aus seinem Rucksack. Jeder, der möchte, bekommt einen Schluck Keschdelikör.
Hier geht es zum Video der Kastanienwanderung in Hauenstein !
Im Pfälzerwald ist die Esskastanie mittlerweile heimisch geworden
Dies ist auch der richtige Zeitpunkt, mehr über die Edelkastanie zu erzählen, wie die Esskastanie auch genannt wird. Der mediterrane Baum ist um 400 vor Christus mit den Griechen zunächst bis in die Region des heutigen Marseille gekommen. Längs der Handelsrouten führte der Weg dann weiter bis nach Süddeutschland. Im Pfälzerwald ist die Esskastanie mittlerweile heimisch geworden. Für den Forst gilt sie sogar als Zukunftsbaum, denn sie liebt Licht und keine Staunässe und dürfte deshalb mit der Klimaerwärmung weniger Probleme haben. Mittlerweile haben die Frauen und Männer der Wandergruppe Leinentaschen ausgepackt, die sie zu Beginn der Tour überreicht bekommen haben.
Es geht nur noch langsam voran, weil sich jeder immer wieder bückt. Keschde um Keschde wird gesammelt. Manche müssen erst noch aus ihrer stacheligen Hülle herausgeholt werden. Doch spätestens, wenn die Früchte geröstet oder gekocht sind, werden all die pieksenden Kontakte vergessen sein. Roland Herrmann rezitiert zum Abschluss noch ein Keschde-Gedicht. „Wer möchte, kann sich mit mir noch bei der Keschdewoche in Hauenstein mit Spezialitäten stärken. Dies ist aber jedem freigestellt“, schließt er. Und fast alle sind mit von der Partie. Kein Wunder, verlängert sich doch so das Erlebnis von Pfälzer Gemütlich- und Geselligkeit.
Buchung & weitere Informationen: Tourist-Info-Zentrum Pfälzerwald Urlaubsregion Hauenstein