Urig und romantisch oder technisch und kühl – die meisten Weinkeller sind heute beides: Beinahe jeder Winzer arbeitet sowohl mit traditionellen Holzfässern wie auch mit modernen Edelstahltanks. Doch warum braucht man zum Weinmachen beides und was sind die Unterschiede zwischen den Lagergefäßen?
Siegeszug des Edelstahls
Mengenmäßig hat er die Nase vorne: Der Edelstahl hat seit den 1960ern Einzug in die Keller gehalten. Vergleichsweise günstig in der Anschaffung, enorm langlebig und leicht sauber zu halten – das sind die pragmatischen Argumente für den Stahltank. Durch Maßanfertigen lässt sich selbst der Raum eines noch so schrägen Kellergewölbes perfekt ausnutzen. Der Tank spart Geld und schafft Platz! Und aus der Sicht des Weines? Edelstahl ist inert, reagiert also nicht mit den Inhaltsstoffen. Dadurch kann in ihm das reine Aroma der Rebsorte perfekt erhalten werden. Außerdem lassen sich in die Tanks leicht Kühlelemente einbauen: Durch sie kann die Gärtemperatur, die mit über das Aroma eines Weines entscheidet, gut gesteuert werden – je kühler, desto jugendlicher und frischer. Auch darin begründet sich der Erfolg des Stahltanks: Fruchtbetonte Weißweine mit klarem Sortenaroma sind nachgefragt – kein Wunder also, dass heute kein Winzer mehr um die funkelnden Tanks herumkommt.
Auf die Luft kommt es an
Der Stahltank ist nicht nur chemisch neutral, sondern auch komplett luftdicht. Der Weinausbau erfolgt reduktiv, sprich ohne Sauerstoffeinfluss. Holz dagegen ist ein oxidatives Medium: Seine Poren lassen geringe Mengen an O2 durch und das verändert die Struktur des Weines. Gerade bei Rotweinen: Durch den Sauerstoffeintrag verketten sich die kleinen Gerbstoffmoleküle (Tannine) zu größeren Einheiten. Durch diese Polymerisation wirkt der Wein am Gaumen weicher und samtiger. Doch auch Weißweinen kann die Lagerung im Fass das gewisse Etwas mitgeben. Ganz verdrängen wird der Stahl das Holz deshalb wohl nie.
Holz ist Holz ist Unsinn
Aus wirtschaftlicher Sicht schlägt so ein Fass jedoch ganz schön zu Buche: Die Produktion, meist aus Eichenholz, dauert vom Fällen des Baumes bis zum fertigen Fass mehrere Jahre und liegt in den Händen speziell ausgebildeter Fachleute, der Fassküfer. Dementsprechend teuer ist die Anschaffung. Auch haben die kleineren Holzfässer meist nach wenigen Jahren ausgedient. Größere Fässer können zwar Jahrzehnte treue Dienste leisten, bedürfen dafür aber intensiver Pflege. Eine kostspielige Art, Wein zu erzeugen! Doch dafür erhält der Kellermeister mit dem Holzfass ein wertvolles stilistisches Mittel. Allein die Wahl des richtigen Fasses erfordert dabei viel Können: Soll der Wein aromatisch nicht allzu sehr vom Holz geprägt werden, sind größere Fässer gefragt. In der Pfalz ist das traditionell das Stückfass mit seinen 1.200 Litern, oft gebaut aus Pfälzer Eiche vom Johanniskreuz und auch als Halbstück (600 Liter) und Doppelstück (2.400 Liter) anzutreffen. Im Stückfass reifen zum Beispiel hochwertige Rieslinge. Soll der Wein deutlicher vom Holz geprägt werden, sind kleinere Fässer wie das Barrique (225 Liter) gefragt: Sie erlauben nicht nur mehr Oxidation. Für ihr spezielles Aroma wurden sie „getoastet“: Dafür wird die Innenseite des Fasses über Feuer geröstet. Durch die Hitze entstehen im Holz Aromastoffe wie Vanille-, Kaffee- oder Rauchnoten. Welche Aromen sich genau entwickeln, hängt von der Intensität und Dauer des Röstens ab – von „light“ bis „heavy toasting“ ist alles zu haben. Eine große Rolle spielt auch die gewählte Eichenart: So ist zum Beispiel die amerikanische Weißeiche berühmt für ihr süßliches Vanillearoma, während Hölzer aus den französischen Staatsforsten eher herbe Noten einbringen.
Die Mischung macht’s
Im Vergleich zum Stahltank ist das Holzfass also ein vielschichtiges Ausbaumedium, das wohl gewählt werden will. Am Ende ist es die hohe Kunst des Kellermeisters, erst zum richtigen Ausbaugefäß zu greifen und dann, vor der Abfüllung, aus den unterschiedlichen Partien einen harmonischen Wein zu kreieren. Oft ist es die Mischung aus Stahl und Holz, die dem fertigen Wein sowohl Frucht wie auch aromatische und strukturelle Tiefe mit auf den Weg gibt – und deshalb braucht man eben Beides im Keller!
Über Holz und Stahl hinaus
Übrigens: Stahl und Holz sind noch nicht alles. Während manche Winzer mit in der Erde vergrabenen Tonamphoren, wie sie bereits vor Jahrtausenden zum Einsatz kamen, experimentieren, stellen sich andere auch mal futuristisch anmutende Eier aus Rohbeton in den Keller – massentauglich sind diese Experimente natürlich nicht. Aber interessant ist es allemal, wie sehr die unterschiedlichsten Lagergefäße einen Wein beeinflussen können!