Im Rebengürtel der Pfalz ist der beste Platz für die Natur reserviert. Direkt am Haardtrand erstreckt sich ein ebenso einzigartiges wie weitgehend unbekanntes Schutzgebiet mit fast mediterranem Charakter, in dem Weinbau und Naturschutz Hand in Hand gehen. Mehr noch: Der Weinbau ist hier geradezu Voraussetzung dafür, daß die besondere Tier- und Pflanzenwelt überlebt. 40 oft miteinander verbundene Naturschutzgebiete, die sich wie eine Perlenkette am Haardtrand aneinanderreihen, sind in den vergangenen Jahren ausgewiesen worden. Eine Fläche von mehr als 1100 Hektar ist damit für Zaunammer und Schlingnatter, diverse Heuschreckenarten und seltene Pflanzen reserviert. Bis zur Deutschen Weinstraße zählt der Rebengürtel zum Biosphärenreservat "Pfälzer Wald" und ist damit als international anerkannte Naturschönheit geschützt.
Rückzugsgebiet für bedrohte Arten
Die ungewöhnliche Tier- und Pflanzenwelt belegt nicht zulezt das südliche, fast mediterrane Klima, das besonders an den sonnenbeschienenen und trockenen Süd- und Südosthängen des Haardt-Gebirges herrscht. Die Weinbergsmauern speichern die Wärme, und auf den Hängen ist die Sonneneinstrahlung noch ein wenig intensiver als in flacheren Stücken. Dazu kommt der Abwechslungsreichtum der Landschaft: Die Abfolge der Rebterrassen wird immer wieder unterbrochen durch Streuobstwiesen, einzelne Bäume sowie Flächen mit Büschen und Brombeerhecken. Auch die Bodenverhältnisse wechseln stark, eine weitere Voraussetzung für die große Vielfalt von Tieren und Pflanzen. Allein vierzig Vogelarten, viele davon vom Aussterben bedroht, haben hier ein Rückzugsgebiet gefunden, mehr als ein Dutzend Heuschreckenarten zirpen um die Wette.
Weinbau schafft Lebensraum etwa für die Zaunammer
Die aus dem Mittelmeergebiet kommende Zaunammer besitzt am Haardtrand eine ihrer nördlichsten Vorkommen überhaupt. Die Zahl der Brutpaare nimmt zu, und es ist der Weinbau auf den Terrassen der diese Entwicklung ermöglicht. Denn ohne die Fortführung der Landwirtschaft, die hier nur unter schwierigsten Bedingungen möglich ist, würde sich der Wald ausbreiten und damit dem zierlichen Vogel den Lebensraum nehmen. Umgekehrt findet das in unseren Breiten seltene Tier auch in großen, monotonen Rebflächen, selbst wenn sie begrünt sind, keine Heimat. Die abwechslungsreiche Struktur am Haardtrand, die der Mensch geschaffen hat und nur der Mensch erhalten kann, gibt auch der Zaunammer eine Chance zum Überleben.
Vom Weinhähnchen bis zur Gottesanbeterin
Die Zaunammer ist indes nur Leittier für eine Fülle anderer Lebewesen, die ebenfalls auf diese besonderen Gegebenheiten angewiesen sind. Da gibt es die Mauer- und Zauneidechsen, Schlingnattern, die aus dem Süden stammenden Sattelheuschrecken und die Weinhähnchen, eine Grillenart, die nur in extrem warmen Gebieten vorkommt. Steppenpflanzen wie die Goldaster oder der Faserschirm können hier ebenso gedeihen wie die Küchenschelle, verschiedene Orchideenarten und der Fransenenzian. Selbst die Gottesanbeterin, ein besonderes Insekt, scheint sich hier auszubreiten, ebenso der aus dem Mittelmeerländern bekannte Bienenfresser, einer der buntesten Vögel in Europa, der nur in warmen Gegenden anzutreffen ist und von großen Insekten lebt. Ob sogar die bis zu vierzig Zentimeter lange Smaragdeidechse derzeit noch vorkommt, weiß niemand genau zu sagen, es scheint indes eher unwahrscheinlich.
Viel Handarbeit und Ernte ohne Maschinen
Allerdings ist es schwierig, in den schwer zugänglichen Steillagen wirtschaftlich Weinbau zu betreiben und damit die Existenz dieser seltenen Tier- und Pflanzenarten zu sichern. In der Pfalz hat man deshalb ungewöhnliche Lösungen gefunden. Im größten Schutzgebiet am Bechsteinkopf bei Wachenheim ist beispielsweise die Lebenshilfe für Behinderte tätig und bewirtschaftet die Weinberge. Die Behinderten arbeiten dabei ohne Maschinen, ganz nach Altväter-Sitte: Der Wein wird von Hand gelesen und mit der Rückentrage abtransportiert, die chemische Keule darf in diesem äußerst sensiblen Gebiet nicht eingesetzt werden. In Ilbesheim kümmert sich eine Hauptschule um einen kleinen Weinberg, und auf anderen Flächen sorgen die Naturschutzverbände mit freiwilligen Helfern dafür, dass die strukturelle Vielfalt der Landschaft erhalten bleibt.