Im Hochsommer, wenn nur noch Baggersee und Biergarten Erfrischung verheißen, begibt sich der Winzer zur grünen Lese. Es handelt sich um eine schweißtreibende und zeitaufwändige Handarbeit. Weniger der erforderliche Kraftaufwand als vielmehr die Juli- und Augusthitze sorgen für Schweißperlen auf der Stirn. Und das für etwa ein bis zwei Wochen auf einem Hektar Rebfläche. Der Behang jedes Rebstocks muss begutachtet und eventuell korrigiert werden. So sind viele sonnenerprobte Helfer gefragt, die in das Reben- bzw. Traubenmeer eintauchen. Es gilt, dieses auszulichten. Denn allzu viele Rebstöcke tragen mehr Trauben als der Qualität zuträglich ist, zumal eine gesetzliche Hektarhöchstertragsregelung die Erntemenge ohnehin begrenzt. Problemkinder sind unter anderem die ertragsstarken Junganlagen und manche, für ihre Wuchskraft einschlägig bekannten Rebsorten. Wie viele grüne Trauben abgeschnitten werden – im Extremfall bis zur Hälfte des Behangs - hängt auch vom Jahrgang, insbesondere vom Verlauf der Rebblüte, und vom Standort, insbesondere vom Boden des Weinbergs ab. Zielvorgaben sind eine Reduzierung des Ertrags auf einen Wert zwischen 50 und 100 hl/ha, meist deutlich unterhalb der weinrechtlich erlaubten Höchstmengen. Und eine damit verbundene Qualitätssteigerung, ablesbar an den Oechslegraden und Extraktwerten, bei Rotweinen auch an einer besseren Färbung. Ziele sind auch eine Optimierung des Frucht-Blatt-Verhältnisses auf etwa 1:7 und eine bessere Resistenz des Rebstocks gegen Wassermangel. Kurzum: Die grüne Lese entlastet den Rebstock. So kann er bis zur herbstlichen Weinlese seine ganze Energie für die verbliebenen Trauben einsetzen.
In welchen Weinbergen eine grüne Lese vorgenommen wurde, verrät ein Blick auf den Weinbergboden. Hier liegen die nach dem Aschenputtel-Prinzip abgeschnittenen Trauben, die für viele Liter Wein, aber eben nicht in Premiumqualität gesorgt hätten. Letztere lässt sich im Übrigen nochmals durch das mittige Teilen der verbliebenen Trauben verfeinern. Apropos Aschenputtel: Je näher die Trauben am Rebstock und damit an die Hauptversorgungsleitung angeschlossen sind, desto eher dürfen sie hängenbleiben. Weg kommen vor allem die Trauben an den Seitentrieben, die zu dicht hängenden, die zu spät ausgetriebenen oder auch die von Schädlingen angegriffenen. So erfordert die perfekte grüne Lese durchaus Erfahrung.
Nicht immer werden die Trauben auf den Boden geschnitten. Zunehmend entdecken die Winzer wieder den lange Zeit in Vergessenheit geratenen Verjus, den Saft aus grünen Trauben, der sich hervorragend in der Küche einsetzen lässt und mehr ist als ein Essigersatz. Selbstverständlich gibt es den Pfälzer Verjus aus weißen und roten Rebsorten.